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Guck mal, ein Millennial!

Alle sind sie am Reden. Über Gen Y, die jungen Wilden, die jungen Öden, das Leben in den Zwanzigern, das jetzt eigentlich das Leben in den Dreißigern ist und darüber, dass sie alle gleich sind und doch auch nicht. Und ich tue das auch. Denn ich bin kürzlich über die 30er-Klippe gehüpft und sitze somit automatisch mittendrin im Millennial-Stuhlkreis und höre wie alle versuchen die Runde zu verstehen und man nickt und widerspricht und nickt und man ist sich sicher, dass das alles wichtig sei. Eine Generation gehört porträtiert und wir haben es hier mit einem besonders störrischen Exemplar von Generation zu tun, denn porträtiert werden will jeder der Stuhlkreisler, aber Gruppen-Porträts kommen gar nicht gut. Obwohl #crewlovedochtruelove ist. Das versteh einer.

Vor wenigen Monaten saß ich in einem Bewerbungsgespräch. Bluse, Blazer – optisch war ich von mir selbst eine Weltreise entfernt. Und als ich so über mich erzählte, fiel es meiner Gesprächspartnerin wie Schuppen von den Augen: Ein Millennial-Exemplar saß da vor ihr. Das hatte sie in einem Seminar gelernt und wie ich so erzählte, ging sie die Millennial-Erkennungsliste in ihrem Kopf durch und – zack – Volltreffer. Diese bahnbrechende Erleuchtung begeisterte meine Gegenüber nicht nur so sehr wie ein Sofortgewinn im McDonalds-Monopoly, auch die Weichen für den weiteren Gesprächsverlauf waren gestellt: Die Erleuchtete wusste nämlich jetzt alles über mich, hatte sie ja im Führungskräfteseminar gelernt, Widerstand zwecklos. Ihre Wahrnehmung von mir hatte sich meinem Outfit angenähert – mit mir hatte das Ganze inzwischen nichts mehr zu tun.

Millennial, Generation Y – ich mag es nicht mehr sein und Definitionen will ich auch keine mehr hören. Dafür passen sie einfach zu gut. Auf jeden, auf alles, die Generation Y-Definitionen sind so treffsicher wie Tageshoroskope: Ja, passt schon irgendwie, aber doch auch nicht auf alle. Ja, Überraschung, Generalisierungen waren immer schon ein wackeliges Fundament, auf dem sich kein nachhaltiger Schluss bauen lässt. Der Mensch ist ein Idiot. Er sammelt Erkenntnisse, um sie dann wieder zu vergessen und so zu tun, als hätte es sie nie gegeben. Um zu diskutieren, eine Meinung zu haben, aber sich nie über sein Kreisdenken hinaus zu bewegen. Denn abseits des Kreisels ist es wirklich kompliziert und undurchsichtig. Da stehen die Menschen in ihrer Einzigartigkeit und das zu verstehen, das ist nun wirklich zu aufwendig. Vielleicht müsste man sogar reden. Miteinander. Nein, danke.

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